Thema
Kurzfassung
Cyberpunk - gesprochen: [ˈsaɪ.bəɹˌpəŋk], ßaiba pank - ist ein Genre der Science-Fiction, welches vorallem in den 80ern durch William Gibsons Buch Neuromancer und Ridley Scotts Film Blade Runner bekannt und geprägt wurde. Ganz kurz und verallgemeinernd gesagt gibt es bei Cyberpunk meistens "High Tech- Low Life" Science Fiction. Es geht meist um die nahe Zukunft, in welcher die Menschheit große technische Fortschritte gemacht hat, die Gesellschaft an sich aber nicht mit diesen Fortschritten mithalten konnte und sich zu einer Dystopie gewandelt hat.
High-Tech heisst bessere Software, bessere Hardware, mehr Hacking, Cyberware-Implantate die Handys überflüssig machen (und vieles vieles mehr!), künstliche allgemeine Intelligenz, die weit mehr kann, als das, was heute als KI beschrieben wird. Cyborgs, Androiden, Automatisierung überall. Holo-Werbung, die einem User direkt auf das Augen-Implantant projeziert wird.
Low-Life heisst: Dystopie, verfallende soziale Strukturen, eine marginalisierte Mittelklasse, global agierende Konzerne mit mehr Durchsetzungsmacht als Regierungen. Antihelden, Gang-Kriege in den Straßen, Konzern-Kriege um Ressourcen, Stimmung wie im Film-Noir, Punks, die mit mageren Mitteln gegen das System handeln, und k(l)eine Hoffnung auf eine bessere Zukunft.
Ästhetik
Die Ästhetik des Cyberpunk setzt sich aus den einzelnen Aspekten zusammen, die schließlich diese gleichzeitig düstere und schrille Melange ausmachen. Einerseits das futuristische Neon-Licht der 80er, dass sich nicht nur in der ubiquitären Werbung wiederfindet, die einen Tag und Nacht anleuchtet. Dazu kommen Materialien, die auch jetzt schon mit Fortschritt asoziiert werden: Metall, insbesondere verchromter Stahl, Plastik, Glas, und Beton. Natürliche Stoffe sind seltener anzutreffen, und viel kostenintensiver. Man sieht viel eher üppige goldene Verzierungen als zierliche Holzintrasien.
Hochhäuser ragen in den Himmel weit über die Straßen auf, präsentieren blanken Beton, abweisenden Stahl und verspiegeltes Glas. Ihre Spitzen verschwinden im Smog der Stadt, und ihr Anblick trohnt dominierend über der Straße auf aber bleibt ihr gleichzeitig unendlich fern. Das Leben unten ist oft inspiriert von einem futuristischen Tokyo; kleine Gassen, Streetfood, Werbung überall, und natürlich Menschen, Menschen, Menschen. Wie viele von ihnen wirklich menschlich sind, ist von aussen nicht zu erkennen.
Gesellschaft
Der Einfachheit halber unterteilen wir die Gesellschaft in unserer Betrachtung des Cyberpunk-Genre in drei sehr grobe Klassen: die Konzernangehörigen oder Corpos, die entbehrlichen Auftragsnehmer oder Runner, und alle, die sich sonst noch in der Unterschicht und auf den Straßen bewegen.
Hoch oben in den Wolkenkratzern arbeiten und wohnen die Corpos, benannt nach den Konzernen, den Corporations, für die sie arbeiten. Corporations oder Megacorporations, also riesige weltumspannende Firmenkonglomerate, sind meistens viel durchsetzungsmächtiger als Regierungen oder Staaten. Für und in Konzernen gelten andere Gesetze, und diese setzen Sie mit ihren eigenen Streitkräften durch. Corpos haben sich an diese Lebensrealität angepasst. Manche sagen, hier opfert man Individualität, Freiheit und Moral für Optionen auf viel Macht und Geld sowie Sicherheit. Andere sagen, man muss für Erfolg auch Opferbereitschaft haben, und wenn alle immer nur an sich denken, kann man nichts Großes schaffen. Ob dieses Große wirklich die Ziele des jeweiligen Konzerns sein sollten, ist immer eine Frage...
In der Unterschicht finden sich fast alle, die nicht zu einem Konzern gehören, aber auch die untersten Schichten der Konzernhierarchien sind hier zu finden. Eine typische Bezeichnung für die Menschen hier ist die des Lohnsklaven. Viele sind ganz normal, betreiben einen der zahlreichen Foodtrucks, ein kleines mehr-oder-weniger legales Reparaturgeschäft; betätigen sich als Tagelöhner in einem Temporärbüro oder sogar in einem Sweatshop. Andere dagegen finden sich in mehr oder weniger organisierten Gangs zusammen, die zumindest innerhalb der Gruppe soetwas wie Sicherheit bieten. Nach Außen hin werden gewaltvoll die eigenen territorialen Ansprüche durchgesetzt und dafür natürlich Schutzgeld verlangt. Klassische Rockerbanden und andere aktivitätenbezogene Gruppen exisiteren ebenso wie solche die auf die Ethnie fokussierte Gruppen. Die Gangster haben einiges mit den Corpos gemeinsam, was beide gleichermaßen niemals eingestehen würden. Man tut, was man tun muss, um durchzukommen; nur eben nicht in einem Büro und mit einem schicken Anzug.
Dann wären da noch die Runner. Runner wird man eher unfreiwillig, wenn man keine oder kaum anderen Optionen mehr hat, oder es geschafft hat die falschen Leute anzupissen. Der Bedarf an den Runnern ergibt sich daraus, dass Konzerne sich nicht öffentlich angehen wollen. Schlechtes Image, Gesichtsverlust, nicht gut fürs Geschäft. Du weißt schon. Wenn also Konzern A die neuen Prototypen von Konzern B in Augenschein nehmen will, schickt der Konzern jemanden auf die Straße und in den Untergrund und lässt dort eine Truppe anheuern, die gewillt ist, diese Aufgabe zu erledigen und/oder einfach das Geld braucht. Im Regelfall wissen die Runner gar nicht, ob sie jetzt für Konzern A, Konzern B oder sogar Konzern C handeln, und das ist ihnen auch (meist) vollkommen egal, wenn die Bezahlung stimmt. Der Treibsand des Betondschungels verschlingt Moral meist gründlich. Die Aufgaben die so im Untergrund verteilt werden sind sehr vielfältig. Daher gibt es viele verschiedene Arten von Runnern: Hacker, Nah- und Fernkämpfer, Roboter-steuernde Rigger, Soziale Chamäleons und Fassadenkletterer und noch viel viel mehr.
Langfassung
Was ist das jetzt eigentlich genau, dieses Cyberpunk? Beginnen wir mit einem kurzen sprachlichen Exkurs zu den beiden Wörter, aus denen sich Cyberpunk zusammensetzt: Cyber/Punk.
Cyber kommt vom englischen "Cyber", welches von Cybernetic stammt. Cybernetic/cybernetisch meint insbesondere die Wissenschaft der Kommunikation und Kontrolle (Regelung, Steuerung) in Maschinen oder lebenden Organismen, oder Dinge, die mit Computern oder dem Internet in Verbindung stehen.
Punk ist die Entlehnung der Jugend und Subkultur der vornehmlich 70er und 80er Jahre, inwelcher der Fokus auf Anti-Autorität beziehungsweise Anti-Obrigkeit und Nonkonformissmus an sich lag und liegt.
Cyberpunk als Subgenre entwicklte sich als Antwort der sehr hoffnungsvollen Science Fiction der Mitte des 20. Jahrhunderts. Man denke beispielsweise an Star Trek: in der fernen Zukunft retten heroische Menschen links und rechts Planeten. Cyberpunk dagegen spielt in der näheren Zukunft und auf der Erde oder zumindest in der Nähe. Es gibt immernoch fiktionalen wissenschaftlichen Fortschritt und neue Technologien, aber in einem viel kleinen Maßstab, KI und Cyber-Implantate anstatt Teleporter und Faster-than-Light Raumschiffe. Im Cyberpunk-Genre auch üblich ist das Bild des Verfalles, beispielsweise indem alte technische Prozesse und Wissen durch ein Blackout verloren gehen. Dazu kommt ein dystopisches Bild der Gesellschaft, das Gegenteil der Utopien, die vorher dominierend in Filmen und Büchern zu finden waren. Welchen Einfluss könnte der rapide technologische Fortschritt auf unsere Gesellschaft haben? Werden wir es schaffen, ihn für das menschlich positive zu nutzen, oder durch die neuen Möglichkeiten zu Grunde gehen? Wo wird die Technologie Grenzen überschreiten, an die wir heute noch gar nicht denken?
Technologie eröffnet quasi unendliche Möglichkeiten - wenn man denn auch das Geld dazu hat. Der Arm kann durch einen besseren ersetzt werden, eine neue Waffe als Spezialanfertigung ist kein Problem, und wer Unsterblich sein will, lädt sein Bewusstsein in einen Computer hoch. Mit genug Geld muss man sich auch keine Gedanken um die Qualität machen - alle anderen haben halt Pech gehabt und müssen irgendwann die Zeche zahlen. Und irgendwann eröffnet neue Technologien die Büchse der Pandora, aber im Namen des Fortschrittes will niemand etwas dagegen tun.
Neben dem 'Cyber' des Cyberpunk, also der Technologie, geht es in den Geschichten stark um das 'Punk'. Oft drehen sich die Geschichten des Genres um Antihelden, Einzelgänger, die wilde, nihilistische, zerrissene Einstellung der Punk-Kultur der 70er und 80er. Die Protagonisten der Geschichten sind Produkte der Gesellschaft und der Technologie, die diese Gesellschaft ausformt. Technologie ist ein Werkzeug, und es wird immer jemanden geben, der einen Weg findet, sie zum Schaden anderer einzusetzen, wenn es sich für ihn auszahlt. Es fängt bei den Megacorporations an, die das Leben ihrer Mitarbeiter, besser ihrer Angehöriger, genaustens überwachen. Einerseits um deren Effizienz zu steigern, anderseits auch um sicherzugehen, dass die guten Konzernbürger keiner Versuchung erliegen, Geheimnisse an die Mitbewerber beziehungsweise Feinde des Konzerns weitergeben. Aber ein guter Konzerner hat nichts zu verbergen, nicht wahr? Und doch leben die Mitarbeiter mit der steten Drohung über den Köpfen, dass man jederzeit aus den Reihen des Konzerns verstoßen werden kann, und aus sozialem Umfeld und Sicherheitsnetz auf die kalte unbarmherzige Straße gelangen kann. Oder schlimmeres.
Eine Etage tiefer und eine technische Stufe weiter geht es um den alltäglichen Kampf des Lebens. In den meisten Fällen heisst das: zum Leben zu wenig, zum Sterben zuviel. Sicherlich ist es angenehm, nach einem Unfall, der einen sein Bein gekostet hat, sich ein schänes neues verchromtes Cyberbein zu gönnen. Viel besser als die damaligen Prothesen, besser und stärker als dein altes aus Fleisch und Blut. Neben der Rechnung für das Bein hast du noch diese horrenden Arzneikosten zu tragen, und der Cybermechaniker will seinen Einsatz auch bezahlt haben. Dazu kommen Updates, und Tunings, und Wartungen, und, und, und. Vielleicht doch bei der Straßengang anfragen, ob du in ihrem Gebiet deinen Foodtruck aufstellen kannst? Da gibt es viel weniger Schießereien, aber auch diese Gestalten von denen du gehört hast, diese Hacker, die aus Rache den Cyber-Arm ihres Freundes oder Feindes zum Explodieren bringen. Ist die Menscheit wirklich bereit für das, was diese neuen Technologien möglich machen?
Wann ist man überhaupt noch ein Mensch? Ab welchem Punkt ist man nur noch eine Maschine?
Spiele wie Shadowrun limiteren, wie viel des eigenen Kärpers ein Mensch durch Cyber-Implantate ersetzen darf, und spielen aktiv mit den Gedanken der Maximierung. Was passt noch alles rein? Und wieviel kostet es, das ganze Zeug zu besorgen?
Im Tagebuch eines Killerbots entwickeln Menschen Wesen aus Schaltkreisen und Fleisch und Blut, die nicht geboren werden, aber doch ein Gehirn und ein Bewusstsein haben. Sind künstliche Intelligenzen weniger wert als biologische, wenn sie doch auch fühlen können?
Die Protagonistin aus Ghost in the Shell ist nach einem Unfall kaum mehr als ihr abgespeichertes Bewusstsein, der Ghost, eingespeist in eine Hülle aus nachgezächtetem Fleisch mit Metall und Duroplast und Computechips. Wie viel Mensch ist sie noch?
Viele Geschichten des Cyberpunk diskutieren, werfen Fragen auf und regen zum Nachdenken an. Was macht einen Menschen aus, in einem Zeitalter, wo man mehr Maschine als Fleisch sein kann? In der ich eine künstliche Intelligenz quasi nicht von einem Menschen unterscheiden kann? Ist der menschliche Geist in einer metallenen Hälle menschlicher als ein Geist aus der Maschine in einem biologischen Körper? Ist ein gespeichertes Bewusststein in einem neuen biologischen Kärper noch ein und die selbe Person? Welche Mäglichkeiten der genetischen Beeinflussung möglich sind, ist keine Frage mehr, aber welche sollten erlaubt sein, und welche verboten? Gibt es genetische Veränderung, die man vorschreiben sollte?
Zu diesen Fragen empfehlen wir den Song alt_human von Circle of Dust.